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Sven Dirkmann
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Ego Shooter

Eine an einen Selfiestick montierte Pistole schwebt im Raum. Bei genauem Hinsehen bemerkt man, dass es sich bei der Waffe um einen 3D-Druck, also um die mit Hilfe eines Computers und eines CAD-Programmes generierte und schließlich materialisierte Abbildung einer Pistole handelt. Sven Dirkmann nutzt für die Platzierung dieser Arbeit die vorgefundenen Gegebenheiten des Ausstellungsraumes. So hängte er das Werk mit dünnen Nylonfäden an einen bereits vorhandenen Deckenhaken unter eine an der Decke montierte verrostete Metallleiste. Auch der große Rostfleck auf dem Boden darunter wurde in diese Überlegungen einbezogen und erinnert in diesem Kontext ein wenig an eine Blutlache. Diese bewussten Bezüge machen die Installation ortsspezifisch und den Ort zugleich zum reflektierten Bestandteil des Werks.

Die merkwürdige Apparatur hängt in greifbarer Höhe zu den Betrachtern. Auf diese Weise vermögen diese zu einem Teil der Arbeit zu werden. Die derart ins Geschehen und ins Werk integrierten Betrachter und Betrachterinnen werden zur Selbstwahrnehmung animiert und beginnen über ihre Rolle innerhalb dieser eigenwilligen Inszenierung nachzudenken. Sven Dirkmanns raumbezogene Arbeit enthält zudem einen bitterironischen Kommentar auf unsere Selfie- und Socialmediagesellschaft: Sie hinterfragt kritisch die Fragilität von Identitäten und das Aufgehen und Verschwinden von Individualität in den sozialen Medien. Auf Plattformen wie Instagram, Snapchat etc. vermag man sich in der Tat hinter einer Identitäts-Maske zu verstecken und zu einem Avatar zu mutieren. Der Wunsch, sich von der an unseren Körper gebundenen Identität zu lösen, die damit verbundene Selbstauflösung, welche im Selbstmord gipfeln könnte, erscheint in ihrer letzten Konsequenz drastisch. Der Gedanke trifft jedoch möglicherweise den Kern eines real existierenden gesellschaftlichen Problems.

Die Nachbildung der Handfeuerwaffe des Typs Walther ppk kal 9mm ist in Ihrer Struktur durchaus als 3D-Druck zu erkennen: Sven Dirkmann kombiniert in seinem künstlerischen Denken die martialische Ästhetik einer todbringenden Waffe mit den modernsten Möglichkeiten ihrer digitalen Verbildlichung und Präsentation. Die Idee zu dieser Arbeit kam dem Künstler beim Lesen eines englischen Textes über das perfekte Portraitfoto, beschrieben als den „perfect headshot“.

Das Werk entstand nur wenige Monate vor dem Terroranschlag von Halle, bei dem der Täter Teile der verwendeten Waffen tatsächlich mit einen 3D-Drucker herstellte. Es wurde erstmals im Juli 2019 in der Gruppenausstellung WHAT HAPPENDED HERE im ‚Raum+’ in Essen gezeigt.

Text: Felix Fischer 

Installationsansicht, Ausstellung WHAT HAPPENED HERE? 2019, kuratiert von Felix Fischer